Freitag, 20. Februar 2015

Time to say Good Bye

Hong Kong. Auf den ersten Blick scheint es ausschließlich aus Wolkenkratzern zu bestehen, die wie Pilze aus dem Boden schießen, einer höher als der andere. Beengend, einschüchternd, unwirklich. Adjektive, die mir zuallererst durch den Kopf schießen. Gefolgt von dem Gedanken, dass ich nicht wirklich länger bleiben möchte als nötig. Denn so beeindruckend die Skyline von Hong Kong auch dreinschauen mag, so unwohl habe ich mich an einem Ort selten gefühlt. 
Als ich aus dem Bus steige, bin ich sogleich umgeben von stickiger Luft, Großstadtlärm und unglaublichen Menschenmassen, die sich in einem schier endlosen Strom durch die schmalen Straßen schieben. Ich selbst bin mitten unter ihnen. Mit einem riesigen Koffer und nicht der leisesten Ahnung wo ich hin muss. Mit etwas Glück stoße ich nach dreißigminütigem verwirrten Herumgelaufe auf eine freundliche junge Dame, die nicht nur mein Hostel per Handy anruft sondern mich auch noch persönlich dorthin bringt. 
Nach einem solchen Start ist es mehr als schwierig, den miesen ersten Eindruck in irgendeiner Form wieder auszugleichen. Aber da ich bisher nur Menschen getroffen habe, die stets begeistert von Hong Kong erzählen, bin ich fest entschlossen, dieser Stadt noch eine zweite Chance zu geben. Nach einer ordentlichen Mütze voll Schlaf bewaffne ich mich mit Reiseführer und Stadtplan. Ich bin bereit loszuziehen und mich von Hong Kong's Schönheit überzeugen zu lassen! Zehn Tage später kann ich immer noch nicht gänzlich nachvollziehen, warum man Hong Kong sooo unheimlich toll finden kann. Allerdings muss ich ganz ehrlich zugeben, dass es durchaus einige hübsche Ecken zu entdecken gibt.
Beispielsweise ist der Ausblick vom Victoria Peak einfach atemberaubend! Nicht länger umgeben von den bedrohlich aufragenden Hochhäusern und fernab vom Gewusel in den Straßen werden Eingeengtheit und Unwohlsein schnell von positiveren Empfindungen abgelöst. Und besonders am Abend, wenn alles hübsch beleuchtet ist, erstrahlt die Stadt plötzlich in ungeahntem Glanz. 
 Um am Wochenende den noch zahlreicher vorhandenen Menschen und der allgemeinen Hektik zu entfliehen, bietet sich ein Ausflug auf die vorgelagerten Inseln an, zum Beispiel Lantau oder Lamma Island. Dort kann man beim Wandern oder Radfahren ganz wunderbar die Seele baumeln lassen und gleichzeitig noch etwas für seine körperliche Fitness tun. 

Wenn man die vielen Menschen in den Straßen und Geschäften nicht scheut, kann man natürlich auch seinen Tag mit Shopping verbringen, ins Museum gehen oder einen der vielen wunderschönen Tempel besichtigen. 
Oder man schlendert über einen Markt, von denen es ebenfalls nicht wenige gibt - naja, man quetscht sich wohl eher, aber ich wollte es positiv klingen lassen.  
  

So ist auch bei der alltäglichen Nahrungsaufnahme Vorsicht oder wahlweise das sprichwörtliche "dicke Fell" geboten: Obgleich zahlreiche gute Restaurants zum Essen und Verweilen einladen, muss man in Hong Kong leider genau planen, wann man essen geht. Denn unter Umständen kann es passieren, dass man nicht nur (wie ungefähr überall in Asien üblich) erstmal Schlange stehen muss, sondern womöglich nach einer gehetzten Mahlzeit wieder hinauskomplimentiert wird, um Platz für die bereits ungeduldig wartenden nächsten Kunden zu schaffen. Streetfood und die in Taiwan oder insbesondere Südostasien so typischen Nachtmärkte mit ihren Garküchen sind in Hong Kong leider Mangelware. Außerdem ist alles wahnsinnig teuer! Und ich war heilfroh, abgesehen von einer Nacht, bei einem Couchsurfing-Host untergebracht gewesen zu sein. Denn ansonsten wäre ich jetzt glaube ich noch ärmer als ich es als Studentin ja sowieso schon bin. 
Mit meinem Host hatte ich, ganz nebenbei bemerkt, diesmal richtiges Glück. Er war eingefleischter Borussia Dortmund Fan, Vater einer unglaublich süßen dreijährigen Tochter und total sympathisch. Er hat mir auch desöfteren die Qual der Wahl bei der alltäglichen Jagd nach Essbarem abgenommen, indem er mir gleich von Anfang an den gesamten Inhalt seines Kühlschranks zur Verfügung gestellt und mich sogar gelegentlich bekocht hat. 
Doch trotz allem hat es Hong Kong am Ende nicht wirklich geschafft, mich vollends zu überzeugen. Vielleicht war ich an den falschen Orten. Vielleicht war es die falsche Jaheszeit oder ich hätte mich von jemandem beraten und herumführen lassen müssen, der in Hong Kong aufgewachsen ist und dort jeden Winkel kennt. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass ich kein Wort Kantonesisch kann und man dort mit Mandarin nicht unbedingt weiterkommt - und nein, das ist nicht ein und dieselbe Sprache! Es ist ein deutlich hörbarer Unterschied, wie Tag und Nacht. Und nur weil ich mich mittlerweile einigermaßen gut auf (Mandarin-)Chinesisch verständigen kann, bedeutet das noch lange nicht, dass ich das automatisch auch auf Kantonesisch kann. 

Auch wenn was jetzt für den Ein oder Anderen so geklungen haben mag: Ich will mit diesem Blog Hong Kong definitiv nicht schlechtreden, nicht im Geringsten! Dass ich Hong Kong doof finde, ist meine ganz persönliche Meinung und hängt vermutlich vorwiegend damit zusammen, dass mir große Städte und viele Menschen grundsätzlich ein Gefühl von Unwohlsein und Bedrängnis vermitteln. Am Ende sollte jeder für sich selbst entscheiden, ob er einen Ort bereisen möchte oder nicht. Für mich steht jedenfalls fest, dass es mich nicht unbedingt nochmal nach Hong Kong ziehen würde. 
Und ganz unabhängig davon bin ich nun auch bereit, nach Hause zurückzukommen. Die letzten sechs Monate haben mich einige sehr wichtige Dinge gelehrt. Ich habe viele neue Freundschaften geschlossen, die über die ganze Welt verstreut sind. Ich habe nicht zuletzt mein Chinesisch verbessert und weiß jetzt wie es ist, an einer taiwanesischen Universität zu studieren. Ich bin viel gereist, habe verschiedene Orte gesehen und abenteuerliche Erlebnisse gehabt; darunter viele traumhaft schöne und erinnerungswürdige, aber auch genügend nicht so berauschende Momente und Begegnungen. Genau wie in Thailand war es auch im letzten halben Jahr in Taiwan sehr cool ohne meine Familie, da sie mir zugegebenermaßen doch manchmal schon sehr auf die Nerven gehen können. Aber andererseits ist mir wieder einmal bewusst geworden, dass sie mir auf die Dauer doch extrem fehlt und ich ohne sie nicht sein möchte. Ganz zu schweigen von meinem Freund und allen anderen lieben Menschen, die ich alle ganz doll vermisst habe. Umsomehr freue ich mich auf das schon sehr baldige Wiedersehen! Taiwan war eine wunderbare Erfahrung, die ich um nichts auf der Welt eintauschen wollen würde. Doch es ist nun an der Zeit, Abschied zu nehmen, mich neu zu orientieren und mir neue Ziele zu stecken. 

Mein Blog wäre nun an dieser Stelle beendet und ich hoffe, es hat euch einigermaßen Spaß gemacht, mich durch mein Auslandssemester zu begleiten, meine Posts zu lesen und meine Erfahrungen mit mir zu teilen!

Samstag, 14. Februar 2015

Rund um Taiwan

Im Nachhinein ärgert es mich, dass ich nicht schon früher angefangen habe, ein bisschen in Taiwan herumzureisen, aus Taipeh herauszukommen und die wunderschönen Ecken dieses Landes zu entdecken. Denn diese sind so zahlreich, dass zehn mickrige Tage bei Weitem nicht ausreichen, sie alle zu erkunden. 
Nachdem ich aus Thailand zurückgekehrt war, habe ich verbleibenden zwei Tage im Wohnheim mit Kofferpacken verbracht. Mein Gepäck konnte ich glücklicherweise bei meinem Tandempartner lassen anstatt es auf meine Rundreise mitnehmen zu müssen. Sämtliche Auszugsformalitäten waren schnell erledigt und so ging es am Samstagmorgen zunächst mit dem Zug in Richtung Hualien, eine Provinz und Stadt an der Ostküste Taiwans, bekannt für den Taroko Nationalpark (den ich ja bereits im Oktober erkundet hatte) sowie Rivertracing und abenteuerliche Rafting-Touren. Leider machen derartige Aktivitäten im Winter wenig Sinn, weil es zu kalt und die Erkältungsgefahr daher groß ist. Alternativ kann man sich in einem der vielen Fahrradverleihgeschäfte einen Drahtesel mieten und damit sogar die komplette Küste entlang fahren, wenn man möchte (denn je nach Verleih kann das Fahrrad zum Beispiel in Hualien für einen oder mehr Tage ausgeliehen und im etwa 200 Kilometer südlich gelegenen Taitung zurückgegeben werden) Ursprünglich hatte ich das sogar teilweise vor, musste aber aus Zeitmangel leider meine Pläne ändern und bin stattdessen mit dem Zug nach Taitung gefahren, nachdem ich eine kleine, dreistündige und sehr schöne Erkundungstour vor Ort unternommen hatte.
Meine nächste Station führte mich nach Dulan, ein winziger Ort irgendwo nördlich auf halber Strecke zwischen Taitung und Chenggong. Mit dem Bus ging die rund vierzigminütige Fahrt - aufgrund der fortgeschrittenen Stunde im Dunkeln - nach irgendwo ins Nirgendwo. Jedenfalls fühlte es sich so an, denn an der auf der Website meines Hostels beschriebenen "Haltestelle" gab es ungefähr nichts. Eine Straße, Häuser und eine Handvoll Restaurants rechts und links. Auch mein Hostel war weit und breit nicht zu sehen, sodass ich die erste Nacht spontan woanders verbracht habe. In einem Hostel, dessen Besitzer nicht nur passionierter Surfer war (und man entsprechende Ausrüstung leihen konnte), sondern das nur 15 Gehminuten vom (schwarzsandigen!) Strand entfernt lag. Auf der anderen Seite, dem Meer gegenüber, befanden sich Berge. Ich war quasi unbemerkterweise in einem kleinen Paradies gelandet. In meinem Hostel stieß ich auf taiwanesische Studenten, die Ferienarbeit in Dulan machten. Sie luden mich auf eine siebenstündige Wanderung durch die mit Urwald bewachsenen Berge ein und am Abend veranstalteten wir ein gemütliches Lagerfeuer am Stand; einfach toll!
Ich wäre gern viel länger dort geblieben, aber schließlich hatte ich mit Kenting bereits ein weiteres Ziel vor Augen. Mit Bahn und Bus erreichte ich gegen Nachmittag die südlichste Spitze Taiwans, wo auch im Februar noch höchst angenehme Temperaturen um die 20°C herrschen. Weitläufige Sandstrände (an denen Szenen aus dem Film "Life of Pi" gedreht worden sind) laden zum Schwimmen und Sonnenbaden ein und von Schnorcheln über Wasserski bis hin zu Windsurfing werden diverse Wassersportarten angeboten. Auch hier kann natürlich wieder ein Fahrrad ausgeliehen werden und im Kenting Nationalpark sind Wanderungen möglich. Ein vielfältiges Angebot also, das ich in so kurzer Zeit bei Weitem nicht habe ausschöpfen können.
Nach zwei Tagen machte ich mich wieder auf den Weg Richtung Norden nach Kaohsiung und Tainan, diesmal per Anhalter und später mit dem Zug. Und ich erlebte den wohl verrücktesten Tag meiner gesamten Rundreise: Die Nacht war wenig geruhsam und viel zu kurz, bei einem Couchsurfing-Host, dessen Haus nicht nur zehn Kilometer weit von meinem eigentlichen Ziel entfernt lag sondern bei dem ich - glimpflich ausgedrückt - am liebsten gar nicht übernachtet hätte und mir die morgendliche Dusche dezent verkniffen habe...
Naja, wenigstens brachte er mich am nächsten Morgen zum Bahnhof. Dort suchte ich die Touristeninformation auf und ließ mich beraten. Man empfahl mir, zum Wasserreservoir aus japanischer Kolonialzeit zu fahren. Dort angekommen war ich drauf und dran, sofort wieder zurück zu fahren, weil das Gelände viel zu groß war um es zu Fuß erkunden zu können. Doch plötzlich sprach mich ein älterer Herr an, der mir erzählte er sei hier Tourguide und warte auf einen Bus voller Touristen und dass ich mich ihnen gern anschließen könne. So bekam ich nicht nur eine kostenlose Führung, sondern wurde später von den Reisenden (alles unglaublich knuffige ältere Damen und Herren) zum Essen eingeladen. Nach Ende der Tour bot mir unser Guide an, mich zum Museum für Geschichte Taiwans zu fahren, wo er früher gearbeitet hatte und mir somit eine kostenlose Eintrittskarte beschaffen sowie eine weitere Führung geben konnte. Alles natürlich auf Chinesisch und ich war erstaunt wie viel ich tatsächlich verstanden habe! Nach dem Museumsbesuch war es nur dummerweise zu spät, um meinen ursprünglichen Plan durchzuziehen und noch nach Lukang weiterzufahren.
Ohne einen Ort, an dem ich die Nacht verbringen konnte wurde mir mulmig und Verzweiflung machte sich breit. Ich wollte ir schon Vorwürfe machen, dass ich mit einem wildfremden Menschen einfach mitgefahren war, als sich ebendieser als Schutzengel erwies. Denn er organisierte mir kurzerhand eine Übernachtungsmöglichkeit in Tainan. Wieder kostenfrei und geleitet von zwei Kunststudentinnen, die mich abends zum Essen einluden und mir einen der größten Nachtmärkte Tainans zeigten. Ein ganz wunderbarer Tag, der trotz aller Zweifel, Planlosigkeit und zeitweisen Anflügen von Panik doch noch gut ausgegangen ist. Und er hat mich gelehrt, dass man nicht immer einen hundertprozentigen Plan für alles braucht. Dass man sich auch mal treiben lassen kann und sich die Dinge schon irgendwie ergeben, wenn man es nur zulässt, sich helfen zu lassen anstattn dickköpfig fixiert genau das durchziehen zu wollen, was man sich vorgenommen hatte. Natürlich muss ich das nicht jeden Tag haben, aber es war doch eine recht lehrreiche Erfahrung für mich!
Am nächsten Morgen machte ich mich in aller Ruhe auf den Weg zum Bahnhof, von wo aus ich, wie bereits erwähnt, nach Lukang aufbrach. Dort hatte mein Auslandssemester begonnen und ich wollte vor meiner Rückreise noch einmal bei meiner Freundin Shompoo und ihrer Familie vorbeischauen. Alles war wie ich es in Erinnerung hatte: Omma quasselte mir immer noch fröhlich einen Knopf an die Backe, völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass ich ihren taiwanesischen Dialekt leider immer noch nicht sprechen oder verstehen konnte. Sie beschenkte mich außerdem mit Essen und allerlei Kleinigkeiten, die ich mit nach Deutschland nehmen sollte. Wir besuchten einen Blumenmarkt, spazierten durch die hübschen, engen Gassen der Altstadt und im Nu war es auch schon wieder Zeit für mich, nach Taipeh zurückzukehren.
Dort habe ich die letzte Nacht in der Wohnung meines Tandempartners verbracht, der mich zu meinem - ich zitiere seine Wortwahl - "letzten Abendmahl" zu Schweineohren und Innereien einlud und am nächsten Morgen extra früh mit mir zusammen aufstand, um mich zur Metro zu begleiten. Denn vor meiner endgültigen Rückkehr nach Deutschland sollte mich die Reise schließlich noch nach Hong Kong führen. 

Freitag, 30. Januar 2015

Amazing Thailand

Es ist einerseits ziemlich schwierig meinen Kurzurlaub in Thailand in möglichst wenig Worte zu fassen, und andererseits gibt es nicht wirklich etwas zu berichten, denn Thailand hat sich seit sechs Jahren kaum verändert; "same same, but different" wie man dort so schön sagt. Aus welcher Perspektive auch immer man es betrachtet steht jedoch eines fest: Dieses Land, das durch einen Schüleraustausch damals quasi zu meiner zweiten Heimat wurde, ist wahrhaft vielseitig, wunderschön und immer wieder für Überraschungen gut. Anstatt in die paradiesisch anmutende Küsten- und Inselregionen (die ich ja schon auf einer der Touren mit meiner Austauschorganisation hatte besuchen dürfen), trieb es mich diesmal in die pulsierende, von Touristen überlaufene Metropole Bangkok - im Nachhinein ehrlich gesagt eine Stadt, die man sich durchaus sparen kann, da Thailand so viele, weitaus beeindruckende und wesentlich "thailändischere" Orte zu bieten hat, insbesondere im Hinblick auf die Mentalität - aber der Reihe nach:  
Mit gepacktem Rucksack und voller Vorfreude auf meine allererste Rückkehr an einen Ort, an dem ich ein ganzes Jahr meines Lebens verbracht hatte, ging es am letzten Samstag in Richtung Taipei Taoyuan Flughafen. Dreieinhalb Stunden sowie einen Hitze-/Luftfeuchtigkeitsschock später landete ich auch schon in Bangkok. Während die Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt ein leichtes war, stellte sich die Suche nach meinem Hostel als wesentlich anspruchsvoller heraus. Nachdem ich über eine halbe Stunde lang verwirrt in der Gegend umhergeirrt war und eine wildfremde Frau auf ziemlich kaputtem (dazu später mehr) Thai nach dem Weg gefragt hatte, traf ich an einer Kreuzung durch Zufall eine Taiwanesin, die dasselbe Ziel hatte und im Gegensatz zu mir den Weg genau wusste. Im Endeffekt war ich zweimal an der Straße vorbeigerannt, in der sich das Hostel befand...
Meine Unterkunft erwies sich trotz fragwürdiger Lage im obskuren Bahnhofsviertel als sehr zufriedenstellend ausgestattet, sauber und bequem.
Mein erster richtiger Urlaubstag begann nach einer erholsamen Nacht am relativ frühen Sonntagmorgen. Auf dem Plan stand der meiner Ansicht nach ziemlich berühmte "Zugmarkt" in Samut Songkram, den ich in Deutschland schon derart oft im Fernsehen gesehen hatte, dass ich mir das Spektakel unbedingt einmal von Nahem ansehen musste (für alldiejenigen, die keine blassen Schimmer haben, worum es gerade geht, hier ein aussagekräftiges YouTube-Video: https://www.youtube.com/watch?x-yt-ts=1422579428&v=MTE0Vk7fomE&x-yt-cl=85114404
Gesagt getan. Wie es sich für einen Zugmarkt gehört, fährt man natürlich mit dem Zug hin. Es gibt auch einen direkten Reisebus dorthin, aber dabei ginge ja die Autentizität der Gesamterfahrung verloren! Außerdem haben mich die Züge mit insgesamt 10 Baht (man muss einmal in Samut Sakhon mit der Fähre nach Ban Laem übersetzen und dort in den Zug nach Mae Khlong umsteigen) gerade mal ein Sechstel des Busfahrpreises gekostet. Dafür dauert es zwar dreimal so lang, bis man endlich ankommt, aber die abenteuerliche Fahrt mit einem altersschwachen Zug, der jeden Augenblick auseinanderfallen könnte und dermaßen langsam unterwegs ist, dass wir beinahe von Fußgängern überholt worden wären, bleibt für immer in Erinnerung! Zudem hat man auf diese Weise die Möglichkeit, das Spektakel direkt aus dem Zug zu beobachten. Ich saß zum Glück im hintersten Abteil und konnte so zuschauen, wie sich der Markt hinter mir direkt wieder schloss, nachdem wir hindurch gefahren waren. Wirklich sehr beeindruckend und faszinierend und die weite Anreise war es allemal wert! Nach einem Rundgang über den Markt selbst und einem leckeren Mittagessen ganz in der Nähe ging es dann auch schon wieder zurück nach Bangkok, diesmal jedoch im Bus.
Abends habe ich mir noch Chinatown angesehen, von dem ich ehrlich gesagt etwas enttäuscht war. Denn ich hatte es viel lebendiger und authentischer in Erinnerung, mit einem sich durch die winzigen Gässchen schlängelnden Markt und kaum Touristen. Nunja, vielleicht war es die Tageszeit oder ich war generell in einem anderen Teil des Viertels als vor sechs Jahren. Etwas traurig war ich dennoch.
Am Montag hieß es früh aufstehen, weil ich um halb 8 nach Ubon Ratchathani geflogen bin, in die im nordostthailändischen Isaan gelegene Stadt, in der ich damals gelebt hatte. Meinen ersten Flashback erlebte ich am Bahnhof Hua Lamphong, von dem aus ich zum Flughafen gefahren bin. Es war unerwarteterweise derselbe, an dem ich damals mit meine Gasteltern angekommen war. Dazu kam das ständige Hören der halb vergessenen und dennoch vertraut klingenden Sprache sowie diverse, für mich ganz speziell "thailändische" Gerüche. Und als ich schließlich in Ubon meine alte Schulfreundin wiedertraf und wir abends bei meiner Gastfamilie vorbeigeschaut hatten, war es endgültig vorbei. Die Erinnerungen prasselten nur so auf mich herein; das Ergebnis war ein verwirrernder und zugleich wunderbarer Gefühlsmischmasch. Außerdem hatten sich meine Ohren und mein Sprachzentrum inzwischen wieder an Thai gewöhnt, sodass ich - zu meinem eigenen Erstaunen - in der Lage war, mit wahnsinnig eingerosteten Sprachkenntnissen zwischenmenschliche Kommunikation zu betreiben und mich verständlich zu machen. Einfach wunderbar! Und viel zu schade, dass ich nur einen einzigen Tag im Isaan habe verbringen können...

An meinem vorletzten Tag in Bangkok habe ich eine Bootsfahrt auf dem Chao Praya River unternommen und mich in weniger von Touristen überschwemmte Teile der Stadt geflüchtet, wo ich sowohl meinen Shoppingdrang als auch den knurrenden Magen befriedigen konnte. Für den Abend stand die Khaosan Road auf meiner imaginären To-Do Liste. Prinzipiell eine sehr touristische Party- und Shoppingmeile im Herzen Bangkoks, die schon irgendwie ihren Charme hat. Doch das wahre "Thailand" war es für mich nicht, auch wenn ich diese Straße eindeutig als lohnenswerte Sehenswürdigkeit einstufen würde.
Mit dem darauffolgenden Mittwochmorgen brach leider auch schon mein letzter Tag in Thailand an. Zunächst habe ich den Grand Palace und den Temple of the Emerald Buddha (Wat Pra Kaeo) besichtigt, für den man nicht nur angemessen (sprich schulterbedeckend und überknielang) gekleidet sein musste, sondern auch nach Möglichkeit recht früh dort sein sollte.  
Ansonsten läuft man - wie an eigentlich allen sehenswerten Attraktionen Bangkoks - Gefahr, in einem Meer aus Touristen unterzugehen. Nichtsdestotrotz war auch dies ein sehr prägendes Erlebnis, denn beide Bauwerke sind höchst beeindruckend und Erfurcht erweckend!

Am Nachmittag zog es mich in die Gegend um die Sukhumvit Road und Siam Square, wo sich verschiedene kleine Cafés und Shoppingzentren aneinanderreihen. Zuletzt habe ich von dort aus einen Spaziergang zum Victory Monument unternommen, wo es nichts allzu Besonderes zu sehen gab - abgesehen vielleicht von einem riesigen
Kreisverkehr mit dem Monument in der Mitte und einem darum herum angeordneten Busbahnhof, der Umschlagplatz für ausnahmslos ALLE Buslinien Bangkoks zu sein schien. Auch zum Flughafen gab es eine direkte Verbindung, für die ich nach einem langen, heißen Tag mit schmerzenden Füßen und Rücken vom vielen Herumlaufen äußerst dankbar war. 
Mein Fazit ist denke ich eindeutig erkennbar: Ich habe mich gefreut wie ein Honigkuchenpferd, nach einer gefühlten Ewigkeit von sechs Jahren endlich wieder in meine quasi-zweite Heimat zurückzukommen. Ich habe in kurzer Zeit viel gesehen und erlebt und war größtenteils auch sehr beeindruckt davon. Auf der anderen Seite jedoch hat mich insbesondere die extreme Armut in Form von in den Straßen und um den Bahnhof herum nächtigenden obdachlosen Menschen zutiefst erschüttert. Ebenso ist es unglaublich schade, dass Bangkok (hoffentlich nicht ganz Thailand!) hochgradig auf Tourismus fixiert zu sein scheint und dabei die typisch thailändische Mentalität kaum noch vorhanden ist! Und mal ganz ehrlich: Man kann definitiv NICHT behaupten "in Thailand gewesen" zu sein, wenn man in Bangkok mal auf der Khaosan Road eine traditionelle Thai-Massage genossen hat, oder?

Dienstag, 20. Januar 2015

Studentenleben (3/3)

Nachdem ich letzte Woche endlich die Abschlussprüfungen - mehr oder minder erfolgreich - hinter mich gebracht und sämtliche schriftlichen Hausaufgaben pünktlich eingereicht habe, geht es nun in die letzte Phase meines Auslandssemesters. Drei Reisen stehen noch auf dem Plan, bevor ich in gut einem Monat endgültig nach Deutschland zurückkehren werde. 
Und meine verbleibenden Tage hier im Wohnheim sind gezählt, sodass ich diese Woche bereits mit Packen angefangen habe. Zwar ist es "nur" ein Paket, das mich vor Übergepäck bewahren soll, aber trotzdem fühlt es sich merkwürdig an. Denn plötzlich ist das halbe Jahr doch schneller vergegangen als erwartet, während es sich gleichzeitig so anfühlt als wäre ich erst gestern hier angekommen. Das ist nicht nur ein Grund mehr, die nächsten Wochen noch einmal richtig zu nutzen, sondern bedeutet leider auch Abschied nehmen von neu gewonnenen Freunden aus aller Welt. 
Um noch ein letztes Mal außerhalb der Uni gemütlich Zeit miteinander zu verbringen, hat es uns in der letzten Unterrichtswoche in eine Bar verschlagen. Genauer gesagt war das natürlich nicht irgendeine Bar, 孔老師 (Kong LaoShi)'s Bar! Kong LaoShi ist, oder besser: war unser Chinesischlehrer, der nicht nur ziemlich gut unterrichten konnte, sondern auch noch so cool war und eine eigene Cocktail-Bar eröffnet hat! Das Ergebnis unseren feucht-fröhlichen Abends lautete, dass das 'R&D Cocktail Lab' ganz eindeutig einen Besuch wert ist. Wegen der Cocktails, der Atmosphäre oder auch einfach deswegen, weil wir unseren Lehrer 'in Action' erleben konnten und am Ende einen satten (persönlichen) Studentenrabatt bekommen haben. 
Falls ihr mal in Taipeh seid und euch selbst von der Qualität der Drinks und Kong LaoShi's Coolness überzeugen wollt, hier der Link zur Website der Bar: http://www.r-d.tw/

Abgesehen vom Besuch der Bar bestanden die beiden Wochen nach meinem Aufenthalt in Japan größtenteils aus Lernen in Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen. Und nachdem das Semester nun offiziell vorüber ist und die Ferien begonnen haben, musste ich noch einige Formalitäten erledigen. Obwohl ich über den halben Campus laufen musste, um die erforderlichen Stempel zur Exmatrikulation zu bekommen, ist das ganze hier glücklicherweise mit wesentlich weniger Papierkram verbunden als in Deutschland. Der goldene Stempel auf meinem Studentenausweis verrät, dass ich nun kein Student der NTU mehr bin. 


Ein weiteres erwähnenswertes Ereignis aus meiner letzten Woche als Studentin verdanke ich meinem Tandempartner, der mich einfach immer wieder aufs Neue mit seinem Ideenreichtum überrascht. Diesmal hat er mich und eine Freundin aus Luxemburg in einen entlegenen Teil Taipeh's verschleppt, wo versteckt in einem Wirrwarr aus verwinkelten Gassen uns Sträßchen ein ganz besonderes Geschäft zu finden war - vermutlich war der Weg dorthin am Ende gar nicht so kompliziert, aber ohne meinen Tandempartner hätten wird es nie im Leben gefunden.
Unser Ziel jedenfalls war ein kleiner Laden, der bewegliche Drucklettern herstellt und verkauft. Größtenteils chinesische Schriftzeichen, aber auch lateinische Buchstaben und verschiedene andere Motive. Es gibt verschiedene Größen und auf Wunsch kann man sich auch etwas Individuelles anfertigen lassen. Die Besonderheit ist, dass dies einer der letzten Läden seiner Art auf der ganzen Welt ist. Denn wer benutzt heutzutage noch Drucklettern, in einer Zeit, in der vor lauter Technik nicht einmal mehr handgeschriebene Briefe verschickt werden und Bücher schon lange nicht mehr auf solch antike Art und Weise gedruckt werden?   

Abgerundet wurde unser leicht historisch angehauchte Nachmittag mit einem Spaziergang und Abendessen in der Nähe der Chiang Kai-Shek Memorial Hall.  
Das Restaurant, eine preisgünstigere und fast ebenso leckere Variante des berühmten 'DinTaiFeng' (mehr dazu hier http://lena-in-taiwan.blogspot.tw/2014/10/taiwanesische-kostlichkeiten-1.html) war natürlich ein weiterer Geheimtipp meines Tandempartners.








Freitag, 2. Januar 2015

Zum Jahreswechsel nach Tokio

Es ist gerade halb zwei Uhr morgens, noch fünf Stunden sind es bis zum Check-In. Die heutige Nacht, meine letzte in Japan, verbringe ich mit einer Freundin am tokioter Flughafen Narita. Wir haben nämlich beide einen so frühen Flug erwischt, dass wir es mit öffentlichen Verkehrsmitteln am Morgen nicht geschafft hätten pünktlich anzukommen. Wir haben daher beschlossen, uns bereits am Abend zuvor zum Flughafen zu begeben. Dort müssen wir nun allerdings noch einige Stunden totschlagen. Nachdem man uns zweimal verscheucht und an einen weitaus weniger gemütlichen Teil des Flughafens verbannt hat, konnten wir es uns endlich einigermaßen heimelig machen. Da an Schlaf wohl kaum zu denken ist, nutze ich nun die verbleibende Zeit, um meine Eindrücke der letzten Woche in Worte zu fassen. Bilder gibt es natülich auch und den kompletten Blog veröffentliche ich irgendwann heute Nachmittag!

Das kleine Abenteuer begann vor ziemlich genau einer Woche, als ich mich mit gepacktem Rucksack und voller Wiedersehensfreude auf den Weg zum Flughafen machte. Die Reise führte mich nach Tokio, wo ich mich über Silvester mit zwei ebenfalls derzeit im Ausland studierenden Freundinnen treffen wollte. Nach einigen "Komplikationen" in Form eines im japanischen Schneegestöber feststeckenden Reisebusses, eines verspäteten Fluges sowie unserer mangelnden Ortskundigkeit, haben wir uns zum Glück doch noch gefunden und konnten den allerletzten Zug erwischen. Mit diesem fuhren wir in einen Randbezirk Tokios, wo unser Couchsurfing-Host uns bereits erwartete. Wir wurden herzlich empfangen, mit einem eigenen Zimmer und kuschlig weichen Betten. Zudem hat man uns quasi täglich zu einem heißen (und sehr entspannenden!) Bad überredet; ein Traum! Das Ganze war zwar leider nicht völlig kostenlos, aber bei umgerechnet rund zehn Euro pro Person und Nacht kann man sich wohl kaum beschweren, oder?! Zumal wir an Neujahr sogar zum Essen eingeladen worden sind und auf diese Weise einige typisch japanischen Speisen probieren konnten (ich möchte an dieser Stelle zum Thema Essen kurz hinzufügen, dass es im Allgemeinen recht fischlastig und seegrasig schmeckt und daher nicht immer ganz mein Fall ist; aber das Neujahrsessen war lecker! :) ).
Der einzige Nachteil unserer Unterkunft war, dass sie weit außerhalb vom Stadtzentrum lag und somit die tägliche Anfahrt nicht nur eine gute Stunde in Anspruch nahm sondern auch noch ziemlich teuer war. Das hinderte uns aber keinesfalls daran, allerlei touristische Attraktionen und bekannte Stadtviertel Tokios abzuklappern. Beispielsweise den Meiji-Schrein und den benachbarten Yoyogi-Park in Kombination mit dem etwas ausgefalleneren Stadtteil Harajuku. Wir waren auch in Shinjuku und Shibuya, die ich eher als Shopping-Viertel bezeichnen würde. Und natürlich haben wir auch einen Abstecher nach Akihabara, das sogenannte "Nerd-Viertel" Tokios gemacht. Auf der für Extravaganz und hohe Preise bekannten Ginza-Straße haben wir Chanel und Bulgari durch Schaufenster bewundert und waren außerdem im Ueno-Park, wo im Frühjahr die Kirschbäume in voller Blüte stehen und der japanischen Sakura alle Ehre machen. Der sich ebenfalls im Park befindliche Zoo ist dagegen eher weniger sehenswert, außer man ist ein besonderer Fan von Tieren, die in schlimmer als nicht-artgerechter Haltung in winzigen, verdreckten Käfigen vor sich hin vegetieren...

 










Zum Schluss haben wir noch die Tempelanlage in Asakusa besucht und den Skytree von Weitem bestaunt (ein komischer, nicht unbedingt hübscher, aber dennoch recht berühmter Trum im Herzen Tokios; siehe Bild rechts). Wir haben festgestellt, dass preisgünstiges Sushi auch in Japan nicht sonderlich gut schmeckt und dass man generell mit extrem hohen Lebenshaltungskosten kalkulieren sollte.
 


Neben straff durchgeplanten Tagen haben wir natürlich auch ein, zwei Entspannungspausen eingelegt, die wir zur Erkundung unserer näheren Umgebung genutzt haben. So sind wir beispielsweise an einem Abend in ein japanisches Sento gegangen. Das ist so ähnlich wie die Heißen Quellen in Taiwan, nur mit dem Unterschied, dass sie nicht natürlichen Ursprungs sind und man gewöhnlicherweise komplett nackt dort badet.
An Silvester haben wir mit Jiyugaoka außerdem noch einen weiteren Randbezirk am südwestlichen Ende Tokios kennengelernt. Eine ehemalige Klassenkameradin aus Deutschland und ihre Freundin waren nämlich witzigerweise zu derselben Zeit in Tokio wie wir, sodass wir uns kurzerhand verabredet und den 31. Dezember in geselliger Runde verbracht haben. Was die Gegend um Jiyugaoka anbelangt, so fand ich sie persönlich um einiges hübscher als den eigentlich Stadtkern Tokios. Es gab viele winzige Straßen und Gasschen, die allgemeine Stimmung war kaum großstadtmäßig und hatte troztdem ein gewisses Flair, und sogar die Preise waren ein wenig niedriger als im Zentrum.
Insgesamt würde ich sagen, dass unser Kurztrip nach Japan sich sehr gelohnt hat! Ich habe zwar nicht ganz so viel "Verrücktes" gesehen wie erhofft, aber beheizte Klobrillen, ein Kanninchenknuddel-Café, Matcha-KitKat, Männer namens Otto* und einige wenige im Lolita-Style gekleidete Japanerinnen sollten für einen ersten Gesamteindruck des Landes und seiner Kultur genügen. 
man beachte den goldenen Rettich hinter mir ...
Ich habe außerdem gute Freunde wiedergetroffen, die ich seit einem halben Jahr oder länger nicht mehr gesehen hatte. Und ich weiß jetzt, dass man sich nicht unbedingt darauf verlassen kann, dass in einer fremden Stadt auf jeden Fall Englisch gesprochen wird. Das ist nämlich in Tokio nicht wirklich der Fall gewesen - vermutlich, weil die Japaner sehr schüchtern sind und sich nicht trauen etwas zu sagen, weil sie ja Fehler machen könnten. Jedenfalls bin ich sehr froh, dass wenigstens eine von uns die Landessprache beherrschte, obwohl ich denke, dass man im allergrößten Notfall wohl auch mit Zeichensprache und Englischfetzen hätte kommunizieren können. Doch ich hatte das in einem so fortschrittlichen Industriestaat wie Japan einfach nicht erwartet.


*Bevor ich hier falsche Gerüchte in die Welt setze: Natürlich heißen NICHT alle japanischen Männer "Otto"! Das ist lediglich eine Anrede, die je nach dem wer gemeint ist, anders betont wirt, beispielsweise können Sohn oder Ehemann gleichermaßen mit "Oto" oder "Oto-san" angesprochen werden.
(Ich bitte allerdings um Korrektur, wenn das völliger Quark ist!)

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Fröhliche Weihnachten!

Das Weihnachtsfest nicht im Kreise der Familie verbringen zu können ist an sich schon eine komische Angelegenheit. Aber noch viel schlimmer ist es, wenn man dabei fast zehntausend Kilometer von der Heimat entfernt ist, in einem asiatischen Land ohne vorweihnachtliche Stimmung, ohne Weihnachtsmärkte und mit sonnigen 20°C statt frostiger Temperaturen an Heiligabend. Anstelle von Ferien ist normaler Uni-Alltag angesagt, mit Hausaufgaben, Präsentationen und ausgerechnet gestern mit einem Test - dabei muss ich zur Verteidigung unseres supercoolen Chinesischlehrers jedoch hinzufügen, dass er uns den Test unkorrigiert überlassen hat, als kleines Weihnachtsgeschenk seinerseits quasi.
Wie dem auch sei, keine Spur von kollektiver Weihnachtsstimmung (und Geschenke-in-letzter-Minute-Besorgungs-Stressmomenten) wie man sie aus Deutschland kennt. 
Aber Austauschstudenten sind in der Regel kreativ und flexibel, wenn es um kulturelle Unterschiede und Merkwürdigkeiten geht. Aufgeteilt nach Ländern oder aber bunt durchgemischt haben gestern verschiedene kleine Weihnachtsparties stattgefunden und werden noch bis zum Wochenende andauern. Und einige von uns sind natürlich auch in die Kirche gegangen, von denen es in näherer Umgebung zum Wohnheim gleich mehrere gibt. Neben chinesischsprachigen Messen werden dort auch regelmäßige Gottesdienste auf Englisch angeboten. 
Unsere "Kirche" war nicht wirklich vergleichbar mit einer typisch deutschen Kirche. Aber auch wenn es ein "normales" Gebäude ohne Glockenturm und hohe Decken war und unser Gottesdienst im Keller stattfand (oben befand sich der größere Saal für die chinesische Messe), es war dennoch ein Gotteshaus und zum ersten Mal kam bei mir Weihnachtsstimmung auf! 
Der kleine Raum war vollgestopft mit Menschen aus den verschiedenstend Ländern, von den Philippinen über Indonesien und die USA gab es Franzosen, Deutsche und Tschechen. Der Pastor selbst stammte aus Irland. Abgesehen von der Internationalität des Gottesdienstes war auch die allgemeine Atmosphäre komplett anders als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Feierlicher! Wir haben wesentlich mehr gesungen, das Glaubensbekenntnis ist auf Englisch länger und beim Vaterunser fasst man sich an den Händen und betet gemeinsam. Wenn jemand den Text vom Gebet vergessen hat, kein Problem, denn auf einer Leinwand erscheint per Tageslichtprojektor der Text aller Gebete und Lieder. Auch geweiräuchert wird nicht, weil die Rauchmelder unter der Decke sonst vermutlich Alarm schlagen würden. Alles in allem eine wunderschöne und weihnachtliche Messe, die mit Stille Nacht in allen möglichen Sprachen endete und nach der es beim Hinausgehen für jeden ein kleines Geschenk (Twinky und Schlüsselanhänger; siehe Foto oben) gab.

Zurück im Wohnheim ging es weihnachtlich weiter. Am Tag zuvor hatte ich im Supermarkt Rotwein und Gewürze gekauft - für ein gemütliches Beisammensein mit selbstgemachtem Glühwein und Weihnachtsplätzchen. Dabei weckte insbesondere ersteres das Interesse der anderen taiwanesischen und internationalen Studenten in der Wohnheimsküche. Offiziell haben wir Glühwein dann in "traditionell deutschen weihnachtlichen heißen Gewürzrotwein" umgetauft - der mir, am Rande erwähnt, ziemlich gut gelungen ist und allen hervorragend geschmeckt hat; auch denen, die zum ersten Mal Glühwein probiert haben!
Als Krönung dieses unkonventionellen aber sehr schönen Heiligabends habe ich nachts noch mit meiner Familie in Deutschland geskypt, was mich sehr gefreut und glücklich gemacht hat!
Mein letztes persönliches Highlight in diesem Jahr ist eine Reise nach Japan, wo ich zwei Freundinnen aus Deutschland treffen und zusammen mit ihnen Silvester verbringen werde. Wir haben das zwar schon vor Monaten geplant, aber es ist quasi eine Art Weihnachtsgeschenk, da ich morgen, am zweiten Weihnachtstag, losfliege und erst im neuen Jahr wiederkommen werde. Ich bin schon wahnsinnig aufgeregt und freue mich auf acht Tage in Tokio!
In diesem Sinne wünsche ich euch allen nun Fröhliche Weihnachten/ Merry Christmas/ 聖誕快/Feliz Navidad/ Joyeux Noel/ Hyvää Joulua!!! Und so weiter und so fort ...



 

Sonntag, 21. Dezember 2014

Advent in Wulai

Der Dezember ist schon wieder mehr als zur Hälfte vorüber und Weihnachten rückt mit jedem Tag ein bisschen näher. Im Normalfall würde ich jetzt - ebenso wie alle anderen Deutschen - an der alljährlichen, kollektiven Last-Minute-Geschenk-Suche teilnehmen und panisch von Geschäft zu Geschäft hetzen, um allerletzte Besorgungen zu machen. Außerdem hätte ich tonnenweise Weihnachtsplätzchen gebacken und gefuttert, wäre auf diversen Weihnachtsmärkten zum Glühweintrinken gewesen und hätte heute, am vierten Advent, zusammen mit meiner Familie traditionell den Christbaum geschmückt.
Aaaaaber, ich befinde mich derzeit ja in Taiwan, wo ich bei gemütlichen 15° von Schnee nur träumen kann und wo mich der Anblick von frierenden Taiwanesen, dick eingemummelt in ihre Dauenjacken mit Wollmützen auf dem Kopf und Fellstiefeln an den Füßen, jedes Mal aufs Neue leicht belustigt. Aber von Weihnachtsstimmung kann nicht wirklich die Rede sein. Zwar sind Straßen und Geschäfte mit Rentieren und Weihnachtsmännern dekoriert, Starbucks beschallt seine Gäste fleißig mit festlich-besinnlicher Musik und vielerorts gibt es Sonderangebote. Außerdem haben wir letzte Woche eine spontane Plätzchenbackaktion veranstaltet: Alli und ich haben nämlich die Wohnheimsküche gestürmt, den Minibackofen belagert und mindestens zwei Stunden damit zugebracht Spritzgebäck zu produzieren. Sehr zur Begeisterung der anderen Wohnheimsbewohner, weil wir den kompletten Eingangsbereich mit Plätzchenduft gefüllt haben :D
Abgesehen davon ist von Weihnachten wie gesagt eher wenig zu spüren, für mich persönlich jedenfalls. Mein studentisches Leben geht seinen gewohnten Alltag, ich habe viele Hausaufgaben und Ferien gibt es auch nicht. Stattdessen werde ich bald anfangen müssen, mich auf die Abschlussprüfungen vorzubereiten, da das Semester in knapp vier Wochen schon zuende sein wird. 
Allzu spannend waren also die vergangenen paar Wochen nicht. Daher habe ich auch länger nicht gebloggt, weil es einfach nichts zu berichten gab. Gestern allerdings habe ich mit einigen Freundinnen einen Tagesausflug unternommen, der es definitiv wert ist, hier erwähnt zu werden!
 
Die Reise führte uns ins nahegelegene Wulai 烏來, das mit dem Bus von Taipeh aus in nur 60 Minuten erreicht werden kann. Der malerische kleine Ort ist im Sommer für gewöhnlich mit Touristen überfüllt, doch auch im Winter kommen nicht wenige Menschen dorthin. Der Grund: Heiße Quellen! Auch für uns war dies der Hauptgrund, warum wir nach Wulai fahren wollten. Da wir uns mit 8.30 Uhr vergleichswese früh auf den Weg gemacht hatten, sind wir dem Haupttouristenstrom geschickt entkommen. Nachdem wir in aller Ruhe gefrühstückt hatten, haben wir zunächst ein bisschen die Gegend erkundet. Einige Gehminuten entfernt gab es einen Wasserfall und ein kleines "Dorf" im Stil der nordtaiwanesischen Ureinwohner (Atayal). Außerdem konnte man mit der Seilbahn über den Wasserfall hinweg auf einen Berg hinauffahren, wo sich als weiterer Touristenmagnet eine Art Vergnügungspark befand. Allerdings waren an diesem Tag eher wenig Menschen unterwegs, was einerseits an der frühen Stunde gelegen haben mag und andererseits auf die Jahreszeit zurückzuführen ist. Aber wenigstens mussten wir uns nicht durch Menschenmassen zwängen, sondern konnten uns frei bewegen und in aller Ruhe alles anschauen. 
Zu guter Letzt sind wir in den Heißen Quellen baden gegangen. Zahlreiche Hotels und kleine Thermalbäder am Straßenrand luden dazu ein, doch wir entschieden uns für die etwas "traditionellere" Variante: Anstatt hohe Eintrittspreise für künstlich hergerichtete Bäder zu bezahlen, haben wir uns schlicht und einfach zu den ortsansässigen Taiwanesen unten am Fluss gesellt. Dort gab es steinerne Pools mit verschiedenen Temperaturen und eine Dampfsauna; zum Abkühlen diente der eisig kalte Gebirgswasserfluss. Die meisten Leute dort waren ältere Herrschaften, die sich förmlich darum rissen, uns zu erklären wie man richtig in den Heißen Quellen badet und die ganz aus dem Häuschen zu sein schienen, dass sich gleich fünf blonde Mädels auf einmal und eine Koreanerin zu ihnen "verirrt" hatten.  
Wie wir erfuhren, kann man sich nämlich nicht einfach irgendwo in einen Pool setzen. Nein, man muss eine Reihenfolge beachten! Erst abwaschen, dann warmer Pool, dann abkühlen, danach wieder warm und wieder abkühlen. Dabei allmählich die Temperatur steigern oder einfach regelmäßig zwischen heiß und kalt wechseln. 
Als ich mich einmal daran gewöhnt hatte, war es einfach traumhaft und der Fluss kam mir gar nicht mehr so kalt vor! Und Diese Form von Wechselbad ist nicht nur gut für Kreislauf und Herz, auch meine Haut war nachher viel weicher und fühlte sich reiner an.
Am Ende des Tages waren wir jedenfalls alle positiv erschöpft und zufrieden. Die Stadt hatte sich inzwischen mit Touristen gefüllt und wir waren heilfroh, dass wir so früh hergekommen waren und uns nach einem späten aber leckeren Mittagessen wieder auf den Heimweg machen konnten.